„Wo der Regenwurm ist, da ist der Humus in Ordnung“ / Der Regenwurm-Pater vom Kloster Gerleve
Pater Augustin Hessing wurde 1897 in der Bauerschaft Gaupel geboren, etwa fünf Kilometer von Gerleve entfernt. Schon früh wurde ihm die Leitung der Landwirtschaft des Klostergutes der Abtei Gerleve übertragen. Als anerkannter Landwirtschaftsmeister sorgte er für die Modernisierung und Intensivierung der Landwirtschaft und bildete mehr als 50 Bauernsöhne aus. Am 13. Juli 1941 wurde das Kloster Gerleve von der Geheimen Staatspolizei aufgehoben und enteignet; die Mönche wurden des Landes verwiesen. Nur Benediktiner mit besonderen Aufgaben durften bleiben – so auch der Ökonom des Klosters. Als jedoch Unmut in der Bevölkerung gegen die Aufhebung laut wurde, wollte die Gestapo ein Exempel statuieren und inhaftierte Pater Augustin am 1. August 1941. Im Oktober wurde er dann dem Konzentrationslager Dachau überstellt. Dort arbeitete der Pater in der Plantage und führte Versuche mit Regenwurmmistkompost durch, die große Erfolge hatten. Denn der Regenwurm frisst abgestorbene Pflanzenreste und legt im Boden ein verzweigtes Röhrensystem an. Dadurch ist die Erde aufgelockert, gut durchlüftet und auch in tieferen Schichten mit Nährstoffen versorgt. Pflanzen wachsen schneller und sind gesünder. Der SS wurde bewusst, dass ihr ein Experte in die Hände gefallen war – und übertrug Pater Augustin bald eine für einen Häftling besondere Position: Er wurde Direktor der Versuchsstation. Die damit verbundenen zahlreichen Privilegien nutzte er für seine Mithäftlinge, zum Beispiel setzte er viele Mitpriester in Positionen ein, die ihre Überlebenschancen vergrößerten.
Als erster der ausgewiesenen Mönche kehrte Pater Augustin am 29. März 1945 nach Gerleve zurück. Dort trug er maßgeblich zum Wiederaufbau der Abtei bei und übernahm auch seine vorherigen Ämter erneut. Die biologischen Studien aus Dachau führte er weiter und galt als Vorreiter der ökologischen Bewegung: Er erkannte Probleme in Verbindung mit der Anreicherung von Schwermetallen und wies auf die Verschmutzung der Meere sowie mangelhafte Aufbereitung des Brauchwassers hin. Schließlich entwickelte und patentierte er das „System Hessing“, eine handliche und preiswerte Mülltonne, die ein Kompostieren in Küchennähe ermöglichte. Etwa zwei Jahre später, am 29. Juli 1975, verstarb der Geistliche im Alter von 77 Jahren und wurde in seiner Heimatabtei Gerleve beigesetzt. Was die Regenwürmer betrifft, so hatte der betagte Pater eine ausgesprochene Liebeserklärung für sie parat: "Wo der Regenwurm ist, da ist der Humus in Ordnung, da gibt es keine Gifte."