Drängende Fragen bei NRW-Landrätekonferenz in Berlin
Die Landräte der NRW-Kreise nutzten die jährlich in Berlin stattfindende Konferenz, um auf die derzeit offenen Fragen in der Finanzierung des Deutschlandtickets aufmerksam zu machen. „Auf mehr als vier Milliarden Euro pro Jahr schätzen Branchenexperten die Kosten für das Deutschlandticket. Die bisherigen Finanzierungszusagen von Bund und Land reichen nicht aus“, kritisierte der Präsident des Landkreistags NRW, Landrat Dr. Olaf Gericke (Kreis Warendorf), dass bislang Bund und Länder nur für das Einführungsjahr 2023 eine vollumfängliche Kostenübernahme garantieren. Bis einschließlich 2025 sollen lediglich Mittel in Höhe von insgesamt drei Milliarden Euro je zur Hälfte durch Bund und Länder bereitgestellt werden. „Die Kreise brauchen Klarheit zur langfristigen Finanzierung des Deutschlandtickets, zudem muss es auch über 2023 hinaus eine Nachschusspflicht von Bund und Ländern geben. Der Verkauf ist zwar gut angelaufen, dennoch ist das Deutschlandticket weiterhin mit enormen wirtschaftlichen Risiken für die Kommunen als Aufgabenträger im ÖPNV verbunden“, erklärte Gericke in den Gesprächen mit den Spitzen der Bundespolitik.
Die Kommunen als Aufgabenträger im ÖPNV dürften nicht zu Ausfallbürgen für Entscheidungen des Bundes werden. Bund und Land müssen die Finanzierung des Deutschlandtickets vollumfänglich und zeitlich unbegrenzt garantieren
, forderte Gericke.
Zugleich forderten die NRW-Landräte mehr Tempo beim Ausbau und der Instandhaltung der Verkehrsinfrastruktur und drängten zum schnelleren Abbau von Planungs- und Genehmigungshürden: Die bisherigen Ansätze, um Planungs- und Genehmigungsverfahren zu beschleunigen, gehen vielfach nicht weit genug
, kritisierte Gericke. Dabei zeigte er sich enttäuscht, dass bei der Ministerpräsidentenkonferenz konkrete Beschlüsse zum Deutschlandtempo vertagt wurden. Den Ankündigungen von Bund und Ländern müssten nun Taten folgen.
Viele Vorhaben im Bereich Verkehrsinfrastruktur dienen gerade auch umweltpolitischen Zielen
, gab Gericke dabei zu bedenken. Dies gelte beim Ausbau von Bahnstrecken und Radwegen, aber genauso bei der Erneuerung von Brücken an Autobahnen.
Die Sperrung der A45 in Höhe der Rahmede-Talbrücke im Märkischen Kreis führe vor Augen, welche verheerenden Folgen der Ausfall der in die Jahre gekommenen und sanierungsbedürftigen Verkehrsinfrastruktur mit sich bringe. Fünf Jahre Bauzeit für den Neubau der maroden Autobahnbrücke an einer wichtigen Verkehrsader wie der Sauerlandlinie seien unzumutbar für Bevölkerung und Wirtschaft. Dabei stehe die Rahmede-Talbrücke nur als Einzelbeispiel für einen jahrelang verschleppten Sanierungsbedarf und eine mittlerweile stark beeinträchtigte Verkehrsinfrastruktur in Deutschland.
Weiterhin drängten die NRW-Landräte mit Blick auf die ebenfalls am 15. Juni erfolgte Ministerpräsidentenkonferenz mit Bundeskanzler Olaf Scholz auf eine zügige Lösung für eine dauerhafte Finanzierung von Flüchtlings- und Integrationsarbeit in den Kommunen. Die kommunale Familie ist am Limit und erwartet mehr und schnellere Unterstützung von Bund und Ländern. Die bisherigen gedeckelten Bundeshilfen werden den massiv steigenden Flüchtlingszahlen nicht gerecht
, kritisierte Gericke.
Beim Flüchtlingsgipfel im Mai hatte der Bund zunächst eine zusätzliche Milliarde Euro zugesagt, um die Kommunen zu entlasten und die Digitalisierung der Ausländerbehörden zu finanzieren.
Wir brauchen vom Bund dringend Entscheidungen zu Wohnungen, Finanzen und Integration
, forderte Gericke. Die Digitalisierung der Ausländerbehörden könne einen Beitrag zu schnelleren Asylverfahren leisten, die Effektivität der Behörden hänge aber nicht primär an der Digitalisierung, sondern vor allem an Fragen der Umsetzung von Abkommen mit Drittländern und der Beschaffung von Passersatzpapieren sowie der zunehmenden Komplexität und den wiederholten Novellierungen des Ausländer- und Asylrechts. Zudem löse die Digitalisierung nicht die aktuellen Probleme vor Ort.
Die Kommunen übernehmen den Hauptteil der Arbeit, um Geflüchtete unterzubringen, zu versorgen sowie in Schule, Beruf und Gesellschaft zu integrieren. Dafür müssen Bund und Land hinreichende Mittel bereitstellen
, erklärte Gericke. Die Belastungsgrenze der Kommunen sei schon längst erreicht, der Bund dürfe die Probleme nicht weiter vor sich herschieben und müsse endlich Wort halten. Ein positives Signal sei der Asyl-Kompromiss der EU-Länder, dieser bringe aber keine kurzfristige Entlastung für die Kommunen, denn die Umsetzung brauche Zeit.
Wir brauchen eine verstetigte, dynamisierte Finanzierung der Kosten für Flucht und Migration
, forderte Gericke. Die Bundesbeteiligung müsse am bewährten Finanzierungsmodell wie in den Jahren bis 2021 anknüpfen und vier wesentliche Bereiche abdecken: Von zentraler Bedeutung für die Kreise als Kostenträger sei eine vollumfängliche Übernahme der flüchtlingsbedingten Kosten der Unterkunft. Darüber hinaus müsse es erneut eine Pauschale pro Asylbewerber, eine Integrationspauschale und eine Pauschale für unbegleitete Minderjährige geben. Wir brauchen ein Finanzierungssystem ohne Deckel und ohne Befristung, ein atmendes System, das sich dynamisch an die jeweilige Flüchtlingssituation anpasst.
Im Rahmen der NRW-Landrätekonferenz am 15. und 16. Juni tauschten sich die NRW-Landräte u.a. mit Bundestagsvizepräsidentin Yvonne Magwas, Vizekanzler und Wirtschaftsminister Dr. Robert Habeck und dem Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU im Bundestag, Friedrich Merz, aus. Ebenfalls auf dem Programm standen u.a. Diskussionsrunden mit dem Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesministerium für Digitales und Verkehr, Michael Theurer, sowie mit der Parlamentarischen Staatssekretärin im Bundesministerium für Finanzen, Katja Hessel.