Vor 50 Jahren Aufbruch aus “Kulturwüste“ - Aus den Anfängen der kulturellen Kreisarbeit
Seit 40 Jahren gibt es den Kreis Lüdinghausen nicht mehr, er wurde im Rahmen der Kommunalen Neugliederung zum 1.1.1975 aufgelöst. Das Kreisarchiv hat zu Jahresbeginn an die turbulente Zeit erinnert. Zehn Jahre zuvor aber legte er den Grundstein für eine Kulturarbeit, die bis heute die kulturelle Landschaft des neuen Kreises Coesfeld prägt.
Um die Kulturarbeit zu intensivieren, richtete der Kreis Lüdinghausen zum 1. September 1965 das Amt für Kulturpflege ein. Und dabei spielte ein Mann eine ganz besondere Rolle: Der Lüdinghauser Schriftsteller, Übersetzer und Verlagslektor Dr. Heinrich A. Mertens. Auf Bitten von Oberkreisdirektor Dr. Egbert Möcklinghoff hatte der gebürtige Niederrheiner im März 1965 seine Ideen für eine „Anfangsarbeit eines kulturellen Kreisbüros“ schriftlich formuliert. Ein wichtiges Anliegen war Mertens dabei die Beteiligung an der Jugendbuchwoche, die überregional für die Zeit vom 30. Oktober bis zum 11. November festgesetzt worden war. Auch eine Woche der Brüderlichkeit sei in Zukunft für den Kreis wichtig. Weiterhin schlug er jährlich je zwei mittlere Kunstausstellungen an vier verschiedenen Ausstellungsplätzen vor. Vor Weihnachten solle es in verschiedenen Orten des Kreises in Zusammenarbeit mit örtlichen Institutionen eine Buchausstellung geben, die das Buch als Geschenk zum Fest attraktiv machen solle. Der Kreis selber solle eine Art Jahresmagazin herausgeben mit Neuigkeiten aus dem Kreisgebiet, das jede Familie erreiche und somit das Zusammengehörigkeitsgefühl der „Kreisinsassen“ stärke. An weiteren Ideen mangelte es dem Visionär nicht: In späteren Briefen schlug er eine „Kreisvolkshochschule“ und die Herausgabe eines Heimatkundebuches für den Unterricht im dritten Schuljahr vor. Auch Musikveranstaltungen und Theateraufführungen sollten zum Repertoire gehören. Nicht zuletzt solle ein „Kreismuseum“ vorbereitet werden. Die vielfältigen Aufgaben müssten in einem „Kulturbüro“ beim Kreis gebündelt werden.
Mertens‘ Anregungen waren von Erfolg gekrönt: Am 26. November titelte die Lokalpresse (Ruhr-Nachrichten): „Lüdinghauser Schriftsteller leitet Amt für Kulturpflege“. Bereits im darauffolgenden Jahr sendete das ZDF am 13. Juni 1966 von der Burg Vischering im Rahmen der Sendung „Die Drehscheibe“ eine Livesendung über das Münsterland. An der Planung war das neue Amt in Person von Dr. Mertens maßgeblich beteiligt. Zur Sendezeit am späten Nachmittag sollen die Straßen in Lüdinghausen leergefegt gewesen sein.
Das geplante „Kreismuseum“, das Mertens als Kulturbeauftragter des Kreises Lüdinghausen aufbaute und 1972 eröffnet wurde, ist kein geringeres als das Münsterlandmuseum auf Burg Vischering. Sowohl der Kulturbeauftragte als auch die Burg wurden 1975 vom neuen Kreis Coesfeld übernommen. Neben der Kolvenburg in Billerbeck, die später für die kulturelle Nutzung hinzukam, ist die Burg Vischering noch heute Kulturzentrum des Kreises Coesfeld. Ihre Bedeutung wird im Rahmen der „Regionale 2016“ mit dem Projekt „WasserBurgenWelt“ unterstrichen.
Nach 16-jähriger äußerst produktiver Tätigkeit für die Kreise Lüdinghausen und Coesfeld wurde der 71-jährige Dr. Mertens im März 1982 vom Coesfelder Oberkreisdirektor Mathias Goß im Rittersaal der Burg Vischering verabschiedet. Goß würdigte die große Schaffenskraft Mertens‘, der dem ländlichen Raum eine große kulturelle Vielfalt gebracht habe. Dazu zählten Ausstellungen ganz unterschiedlicher Couleur, Schlosskonzerte, Erzählabende, „Kalendertage“, Münsterland-veranstaltungen, publizistische Arbeiten und der Aufbau des Münsterlandmuseums. Wie stark Mertens‘ Engagement die kulturelle Landschaft geprägt hat, drückte der Verwaltungschef so aus: „...denn als Sie (Mertens) von meinem Vorgänger … Dr. Möcklinghoff mit der Aufgabe eines Kulturbeauftragten betraut wurden, spiegelten die weißen Stellen im Haushaltsplan des Kreises die tatsächliche Landschaft einer kargen und kahlen Landschaft.“